32. Jahrestage des Pogroms in Lichtenhagen: Veranstaltungen in Rostock

Anlässlich der 32. Jahrestage des Pogroms in Rostock-Lichtenhagen finden in Rostock Vorträge, Filmvorführungen, Diskussionen sowie Dialogveranstaltungen statt. Einen Überblick finden Sie an dieser Stelle, mehr Informationen auf den Seiten der Veranstalter*innen.

 Oktober 1992, zwei Monate nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen. Im nur 100km entfernten Greifswald scheint sich die rassistische Gewalt zu wiederholen. Hunderte rechte Gewalttäter*innen versammeln sich vor einem Wohnheim für „ausländische Studenten“ und bereiten sich auf den Angriff vor. Doch es kommt anders: den Angegriffenen gelingt es, die Gewalt abzuwehren und nach drei Tagen schließlich zu beenden. 

 Zur gleichen Zeit müssen sich in einer Sammelunterkunft am Rande Greifswalds Asylsuchende fast täglich gegen Angriffe verteidigen – unter den Betroffenen sind auch Menschen, die kurz zuvor das Pogrom in Lichtenhagen überlebt haben. Trotz ihrer Selbstverteidigung enden die Angriffe nicht. Nachdem die Angreifer*innen die Unterkunft das zweite Mal in Brand stecken, wird sie im Dezember 1992 geschlossen.

 Die Beispiele aus Greifswald verdeutlichen die massive Eskalation rechter Gewalt nach dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen. Statt der Höhepunkt oder das Ende einer Erzählung der „Baseballschlägerjahre“ zu sein, ist das brennende Sonnenblumenhaus hier der Anfang. Anhand lokaler Gewaltereignisse wird diese Perspektive im Vortrag dargestellt. Im Fokus steht die Rekonstruktion der Wahrnehmungen und Widerstände von Betroffenen mithilfe von Zeitzeug*innenberichten und zeitgenössischer Berichterstattung.

M. Schmidt arbeitete im Projekt „Kein Vergessen MV“ zu Todesfällen rechter Gewalt seit 1990.

J. Henningsen ist Projektmitarbeiter im Dokumentationszentrum „Lichtenhagen im Gedächtnis“.

P. Räuber forscht zu extremen Rechten im gesellschaftlichen Umbruch von 1980-1993.

Organisator*innen: Dokumentationszentrum „Lichtenhagen im Gedächtnis“; Soziale Bildung e.V.


Das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen war ein beispielloser Gewaltexzess. Auch schon zuvor gibt es in M-V mehr als 100 Angriffe auf Migrant:innen und Flüchtlingsunterkünfte. Für ihren Film „Verharmlost und vergessen: Rechte Gewalt vor Rostock-Lichtenhagen“ recherchierten die NDR-Autorinnen Carolin Kock und Jette Studier die Zeit vor dem Fanal und rekonstruieren das Erstarken der radikal-rechten Jugendkultur.

Allen Opfern eine Stimme zu geben, ist in den vergangenen Jahren in den Fokus der kommunalen Erinnerungspolitik gerückt. Als im Oktober 1992 Aktivisten um Beate und Serge Klarsfeld auf das Schicksal der Roma in Rostock aufmerksam machten und eine Gedenktafel anbrachten, eskalierte diese Aktion. Welchen Umgang die Stadt heute mit der Tafel findet, ist Thema des weiteren Filmbeitrags von Jette Studier. Über den schwierigen Weg, an das Pogrom angemessen zu erinnern wollen wir gemeinsam mit den Filmemacherinnen diskutieren.

Mit: Carolin Kock und Jette Studier, Filmemacherinnen

Moderation: Dr. Gudrun Heinrich, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin der Arbeitsstelle Politische Bildung an der Universität Rostock

Eintritt: 8,- / 6,- / 5,- EUR

Veranstalter:innen: Hanse- und Universitätsstadt Rostock, Heinrich-Böll-Stiftung MV, Lichtspieltheater Wundervoll


Film & Gespräch: „The truth lies in Rostock – Die Wahrheit liegt (lügt) in Rostock“

Donnerstag, 29. August 2024, 19 Uhr, Hinterhof-Kino im Café Median (Niklotstr. 5/6, 18057 Rostock)

Wie kaum ein anderes Gewaltereignis der jüngeren deutschen Vergangenheit hat das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen 1992 eine Fülle an medialen Bildern hinterlassen. Zahlreiche Dokumentationen und Kinofilme haben seitdem versucht, die rassistische Gewalt einzuordnen und zu verarbeiten. Kaum ein Werk sticht dabei so deutlich hervor wie „The Truth Lies in Rostock“. Mit klarer politischer Haltung analysieren und kommentieren die Londoner und Rostocker Aktivist:innen von spectacle die Ereignisse anhand zeitgenössischer Bilder, Interviews und Aufnahmen. Anlässlich des 32. Jahrestags des Pogroms öffnet das Café Median seine Türen zum Hinterhof-Kino und zeigt noch einmal diesen außergewöhnlichen Film. Dabei führt der Kommentar des Historikers und Mitarbeiters des Dokumentationszentrums „Lichtenhagen im Gedächtnis“, Johann Henningsen, ein. Im Anschluss wird es Raum für ein Gespräch geben.

„The truth lies in Rostock“, BRD, GB, 1993, 78min.
Der Eintritt ist frei.


Dialogveranstaltung: Gemeinsam erinnern. 32. Jahrestage des Pogroms in Lichtenhagen

Donnerstag, 05. September 2024, 19 Uhr, Peter-Weiss-Haus (Doberaner Straße 21, 18057 Rostock)

Über mehrere Tage gingen in Rostock-Lichtenhagen die Angriffe auf ehemalige Vertragsarbeiter*innen aus Vietnam und Asylsuchende, darunter viele rumänische Rom*nja. Heute gilt die rassistische Gewalt im August 1992 als das größte Pogrom der deutschen Nachkriegsgeschichte gilt. Nach dem Pogrom mussten die vietnamesischen Betroffenen für ihr Bleiberecht kämpfen. Die betroffenen Asylsuchenden wurden abgeschoben oder verließen Deutschland, um erneuten rassistischen Angriffen zu entgehen. Ein Dialog zwischen den beiden Communities war so bis heute nicht möglich

Anlässlich der 32. Jahrestage kommen erstmals Vertreter*innen aus der ersten und zweiten Generation beider betroffenen Communities zusammen. Gemeinsam sprechen wir über Formen des Umgangs mit Rassismus und rechter Gewalt, Erinnerungen an das Pogrom und Forderungen für die Gegenwart. Zusammen mit Eva-Maria Kröger diskutieren wir außerdem, wie lokale Prozesse der Erinnerung und Aufarbeitung drei Jahrzehnte nach dem Pogrom gestaltet werden können.

Veranstalter*innen: Asociația Centrul de Cultură al Romilor Dolj; Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach e.V.; Dokumentationszentrum „Lichtenhagen im Gedächtnis“; Roma Center e.V.; Soziale Bildung e.V.;


Vortrag und Diskussion: „Kulturen des Verdrängens und Erinnerns“ – Rostock-Lichtenhagen 1992 aus wissenschaftlichen Perspektiven

Montag, 09. September 2024, 19 Uhr, Internationales Begegnungszentrum der Universität Rostock (Bergstrasse 7a, 18057 Rostock)

Die pogromartigen Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen 1992 bieten den Anlass aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven auf „Kulturen des Verdrängens und Erinnerns“ zu blicken. Im Rahmen der Veranstaltung wird der im Juni diesen Jahres erschienene Band „Kulturen des Verdrängens und Erinnerns. Perspektiven auf die rassistische Gewalt in Rostock-Lichtenhagen 1992“ vorgestellt. Yvonne Wasserloos (Mozarteum, Universität Salzburg) wird hierbei Aspekte musikalischer Medialisierungen thematisieren, Cornelia Sylla (Universität Rostock) stellt Fragen an den Umgang mit dem Ereignis in der Schule. Eingeführt und moderiert wird die Veranstaltung von Gudrun Heinrich (Universität Rostock).

Veranstalter*innen: Dr. Gudrun Heinrich;  Dr. Cornelia Sylla