In den vergangenen beiden Jahren durften wir Martina Zaninelli und Thomas Jakobs bei ihrem Projekt „Brotherland“ unterstützen. Das Projekt verdeutlicht die gesellschaftliche Stimmung, in welcher die rechte Gewalt Anfang der 1990er Jahre und das Pogrom in Lichtenhagen geschehen konnte. Bilder, Texte und Interviews aus dem Projekt wurden nun erstmals online veröffentlicht.
Im vergangenen Jahr war die gleichnamige Ausstellung im Peter-Weiss-Haus, der Stadthalle Rostock und auf dem Fusion Festival zu sehen. Die Ausstellung kann weiterhin über uns entliehen werden.
Mehr Informationen zum Projekt:
„Die „Ausländer raus“-Gewalt nach der Wende begann nicht erst 1992 mit dem Pogrom in Rostock-Lichtenhagen und den Brandanschlägen 1993 in Mölln und Solingen. Bereits 1991 wurden in Hoyerswerda tagelang ein Wohnheim für Vertragsarbeiter:innen und eine Geflüchtetenunterkunft angegriffen. Zeitweise standen bis zu 500 Schaulustige vor den Heimen, aus dieser Masse heraus fanden die Angriffe statt. In Rostock-Lichtenhagen wurden das Wohnheim ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter:innen und die „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber“ angegriffen. Steine und Molotow-Cocktails flogen gegen die Gebäude und auf die Menschen in ihnen. An diesem Pogrom beteiligten sich mehrere Hundert Neonazis und bis zu 3.000 applaudierende Zuschauer:innen.
Hoyerswerda und Rostock waren, wie alle rechtsextremistischen Anschläge der 1990er-Jahre, Ausdruck rassistischer und nationalistischer Einstellungen, die später zum mörderischen Terror des sogenannten NSU führten.
In der tagesaktuellen Berichterstattung und auch der Geschichtsschreibung kamen – und kommen – die Menschen, gegen die sich diese Gewalt richtete, selten zu Wort. Auf die Fragen, wieso (deutsche) Jugendliche den Hitlergruß zeigen oder wieso der Rassismus in den neuen Bundesländern womöglich „verständlich“ sei, wurde erheblich mehr Gewicht gelegt.
Wir haben ehemalige Vertragsarbeiter:innen aus Angola, Mosambik und Vietnam interviewt und porträtiert. In den Interviews erzählen sie von ihren Erlebnissen während der Wende. Ebenso haben wir uns aber auch entschieden, Deutsche zu interviewen, die in den 1990er-Jahren in Hoyerswerda, Eberswalde und Rostock gelebt haben, um mehr von den/ihren Lebensrealitäten während und nach der Wende zu erfahren.
Die Fotos wurden an den Orten aufgenommen, an denen die Anschläge stattfanden und zeigen sie in einer zeitlosen Dimension. Die Stillleben und das Archivmaterial konzentrieren sich auf die Spektakularisierung der Ereignisse und auf verschiedene Facetten der Gewalt.
In der Summe soll Brotherland die Stimmung deutlich machen, in der die Angriffe stattgefunden haben und von einer breiten Masse legitimiert wurden.“
Text und Bilder: Martina Zaninelli und Thomas Jakobs